Berufsinformationsseminar am 08.11.2007 in Roth



Nürnberger Zeitung v. 09.11.2007

Job-Börse in Roth bereitet auf den Wechsel vor

Wenn Soldaten wieder Zivilisten werden
Von Sharon Chaffin, NZ

ROTH - Es gibt ein Leben nach der Bundeswehr. Nur welches? Knapp 100 Soldaten, die in den nächsten zwei Jahren ausscheiden, haben sich bei einem Berufsinformationsseminar des Arbeitskreises Bundeswehr und Wirtschaft (AkBwW) über neue Arbeitsmöglichkeiten informiert.

Wer keine Anstellung findet, sollte zur Bundeswehr gehen. Als ehemaliger Zeitsoldat steigt der Wert auf dem Arbeitsmarkt offenbar mit jedem Jahr der Zugehörigkeit. Diesen Eindruck vermitteln zumindest die Manager und Personalchefs, die vor den Noch-Soldaten im Offizierscasino der Otto-Lilienthal-Kaserne heftig für ihre Unternehmen werben.

Hans Engelmann etwa präsentiert ein nettes Werbefilmchen mit poppiger Musik, um die überwiegend männlichen Zuhörer auf die Fürther Uvex Winter Holding aufmerksam zu machen. "Wir sind immer auf der Suche nach qualifizierten Technikern, Facharbeitern und Ingenieuren", sagt er und deutet dabei auf bunte und tortenförmige Schaubilder und Statistiken. Sicherlich ist unter den fast 3,5 Millionen Arbeitslosen ebenfalls der eine oder andere geeignete Interessent zu finden. Ehemalige Berufs- und Zeitsoldaten würden aber bevorzugt. "Wenn von 150 Bewerbungen drei aus den Reihen der Bundeswehr kommen, werden diese auf jeden Fall zu einem Gespräch eingeladen."

Viel Lob aus der freien Wirtschaft

Ein solches Versprechen ist für die Soldaten des Kampfhubschrauberregiments 26 "Franken" natürlich verlockend. Vor allem, wenn der Personalleiter diese Privilegien mit den herausragenden Führungsqualitäten ehemaliger Bundeswehr-Angehöriger begründet. "Sie haben es gelernt, eine Vorbildfunktion zu übernehmen und werden diesem Anspruch gerecht." Das sei eine Grundausbildung, die in jedes Unternehmen passe.

Durchwegs Lob haben auch Engelmanns Kollegen von Diehl, N-Ergie, Nürnberger Versicherung & Co. parat. Florian Klinter von der Firma Diehl ("Bei uns sind viele, die gedient haben, auch im Vorstand") preist die besonders aussagekräftigen Bundeswehrzeugnisse, und der Manager des NH-Hotels Nürnberg City, Jörg Hillebrecht, hebt das Kommunikations- und Improvisationstalent der Soldaten hervor. "Diese Fähigkeiten brauchen wir im Hotel- und Gastronomiegewerbe. Das ist nichts, was sie nicht kennen."

Stefan Ehrhardt dürften diese drei Stunden etwas beruhigt haben. Noch bis Februar 2009 ist der Oberfeldwebel voraussichtlich bei dem Rother Regiment dabei. Zwei Jahre vor Beendigung der 12 Dienstjahre wird er ausscheiden, und dann wird es für den 30-Jährigen ernst. "Die Firma Diehl wäre für mich schon interessant." Er möchte auf jeden Fall im kaufmännischen Bereich bleiben. Vor der Bundeswehr hatte er eine kaufmännische Lehre absolviert, und daran will er anknüpfen. Die Jobsuche wird wohl kein Problem. Allerdings sieht er dem Wechsel vom militärischen zum zivilen Arbeitgeber schon kritisch entgegen: "Bei der Bundeswehr läuft alles nach Vorschriften und Anweisung. Das ist draußen nicht so und deshalb vielleicht ein wenig schwerer."

Seiner Kameradin Margarete Kaczmarczyk fällt der bevorstehende Abschied sicherlich nicht leicht. Am liebsten würde die Fürtherin länger bleiben, doch das ist wahrscheinlich nicht möglich. Die gelernte Außenhandelskauffrau, die noch bis März 2009 in Roth Dienst tut, stellt sich die Umstellung ungewohnt vor. "Drinnen ist das Arbeiten doch eher ein Miteinander, draußen ist es wohl eher ein Gegeneinander."

Bürotätigkeit - drinnen und draußen

"Drinnen" ist die Hauptgefreite im Geschäftszimmer vor allem für Büroarbeiten zuständig. Ähnlich soll der neue Job sein. Die junge Frau hat sich schon bei verschiedenen Veranstaltungen umgesehen. Die Job-Börse des AkBwW hält sie für eine gute Gelegenheit, sich noch gründlicher zu informieren. "So ganz schlüssig bin ich mir aber noch nicht", sagt sie.

Pascal Schäfner hingegen hat keine Ängste vor dem Wechsel. Bis Ende Juli 2008 ist der Stabsgefreite noch in der Kaserne. Dann hat der 24-Jährige, der gleich nach der Mittleren Reife zu Bundeswehr gegangen ist, insgesamt drei Jahre und drei Monate gedient. "Ich sitze in der Verwaltung und würde später gerne ins Büro gehen. Da kann der Unterschied ja nicht so groß sein." Einen Lieblingsarbeitgeber hat sich der Ansbacher auch schon ausgesucht: die Nürnberger Versicherung. Morgen hat er bereits einen Vorstellungstermin. Den hat er allerdings schon länger ausgemacht - vor der Job-Börse.

So können Soldaten Kontakte zu Arbeitgebern knüpfen: Der Vorsitzende des AkBwW, Johannes Jakobs-Woltering, initiierte die Job-Börse ((Bild unten). Hauptgefreite Margarete Kaczmarczyk findet die Idee gut (oben). Fotos: Bischof & Broel



Nürnberger Nachrichten v. 09.11.2007

Firmen buhlen um ausscheidende Soldaten

Fachkräftemangel verstärkt das Interesse der Unternehmen an den Bundeswehrexperten
von Georg Escher

So umworben wurden ausscheidende Zeitsoldaten nicht immer. Doch heute, da viele Firmen händeringend Fachkräfte suchen - vom Elektriker bis zur Führungskraft - rollen etliche Firmen den Soldaten beinahe schon rote Teppiche aus, wie das 7. Berufsinformations-Seminar beim Kampfhubschrauberregiment 26 "Franken" in Roth zeigte.

ROTH - Hans Engelmann, Personalchef des Fürther Helm- und Brillenherstellers Uvex gab sich alle Mühe, knapp 100 Zeitsoldaten im Offizierskasino der Rother Otto-Lilienthal-Kaserne zu hofieren. "Wenn wir 150 Bewerbungen haben, und darunter sind drei aus der Bundeswehr, dann können Sie davon ausgehen, dass wir Sie zum Gespräch einladen." Engelmanns Begründung, warum seine Firma (2200 Mitarbeiter, 300 Mio. € Umsatz) Soldaten so umwirbt: Bei Uvex gelte die Philosophie, "dass Führungskräfte Vorbildcharakter haben" - und den sieht er bei Bundeswehrangehörigen überdurchschnittlich ausgeprägt.

Organisiert wurde die Rother Börse von Johannes Jakobs-Woltering, dem Vorsitzenden des Arbeitskreises Bundeswehr und Wirtschaft.

Zehn Firmen aus der Region - darunter Hochkaräter wie der Rüstungskonzern Diehl, der Energieversorger N-Ergie, aber auch der Lebensmittel-Discounter Norma, die Hotelkette NH oder der Herzogenauracher Werkzeugmaschinenbauer GDW - präsentierten sich vor Zeitsoldaten, die Ende März 2008 oder ein Jahr später ausscheiden werden. Die Palette ist groß: Vom Elektriker und Kfz-Mechaniker über Mechatroniker und Radarspezialisten bis zu Verwaltungskräften und Köchen, vom Hauptgefreiten bis zu Offizieren, hat die Bundeswehr in Roth vieles zu bieten.

"Da werden Karten getauscht"

Und das Konzept findet Anklang. "Hier gibt es direkten Kontakt, hier werden Karten getauscht", freut sich Initiator Jakobs-Woltering, der sein Modell gerne bundesweit ausgedehnt sehen möchte. Auch Norbert Wilke von der Nürnberger Versicherung bestätigt ihn. Er war eine Woche zuvor bei einer ähnlichen Veranstaltung in Koblenz, wo in einer Stadthalle 50 Firmen Stände aufgebaut hatten und ebenfalls um 100 Ausscheider warben. "Doch da war mein Eindruck, dass viele sich nur die Beine in den Bauch standen" sagt Wilke.

Das Interesse der Firmen jedenfalls ist groß. Bei dem Rüstungskonzern Diehl werden in den nächsten Jahren zahlreiche Fachkräfte ausscheiden, und gute Leute sind "sehr schwer zu finden", wie Personalchef Florian Klinter zugibt. Auch er wurde schon in der ersten Pause angesprochen, auch wenn sich auf Anhieb noch nichts Konkretes ergab.

Christian Dittmar, Bereichleiter beim Discounter Norma (und dort auf dem Sprung zu Höherem) ist selbst das beste Beispiel, welche Karrieren nach der Bundeswehr möglich sind. Er war zuvor Hauptmann bei den Fallschirmjägern, bevor er zu Norma wechselte. Stresstauglich, ausgestattet mit Führungserfahrung, wurde er dort mit offenen Armen aufgenommen - und verdient nun auch deutlich mehr als zuvor.

"Sie haben traumhafte Aussichten", bestätigte die Leiterin der Nürnberger Arbeitsagentur, Elsa Koller-Knedlik. Etliche der Soldaten haben die freie Wahl. "Es war noch nicht direkt was dabei", meinte ein 37-jähriger Logistikexperte, der 2008 ausscheiden wird. Es wird sich was finden. "Die Vermittlungsquote ist so", sagt Initiator Jakobs-Woltering, "dass am Ende keiner überbleibt."


Auch beim Instandhaltungsdock des Rother Hubschrauberregiments informierten sich die Firmenvertreter über das hohe Niveau der Soldaten. Foto Bischof & Broel