Matinee zur Führungsverantwortung



Im bis auf den letzten Platz besetzten Studienforum des Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände moderierte Monika Merkel  die Podiumsdiskussion zum Thema: "Führungsverantwortung heute!" mit Hauptmann Josef Michael Berger, Militärgeschichtliches Forschungsamt, Generalmajor Hubertus von Butler, Kommnandeur Division Luftbewegliche Operationen, Oberstleutnant Karl Sedelmair, Offizierschule der Luftwaffe, Dr. Ernst Rothstein Vorstand Leistritz AG, Nürnberg, Johannes Engelmann Personalchef UVEX, Fürth (v.links)
Foto: Ralf Sokolowski

Führungsverantwortung in Bundeswehr und Wirtschaft

Rund 100 Führungskräfte trafen sich zur Frühjahrsmatinee des Arbeitskreises Bundeswehr und Wirtschaft Nordbayern  im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Den Tagungsort hatte man ganz bewusst gewählt. Mit einem Besuch der Ausstellung "Faszination und Gewalt" sollte zunächst das düsterste Kapitel der Deutschen Geschichte beleuchtet werden. Die Nationalsozialisten hatten in den Jahren von 1933 bis 1945 ihre Führungsverantwortung missbraucht und die Menschen in die Katastrophe geführt. Hauptmann Michael Berger zeigte in seinem Referat den Weg ehemaliger jüdischer Front-kämpfer des 1. Weltkriegs von der anfänglichen Duldung über die zunehmende Entrechtung bis hin zur letztendlichen Vernichtung in den Konzentrationslagern.

Vor diesem Hintergrund gingen die Teilnehmer in einer Podiumsdiskussion der Frage nach, welche Chancen Führungskräften heute - in unserer freiheitlichen Demokratie - haben, ihrem Auftrag gerecht zu werden. „Führung wohin?" konfrontierte Moderatorin Monika Merkel die Teilnehmer mit der Frage nach den Werten, für die sie stehen und mit denen sie ihren Führungsanspruch begründen. Bei der Bundeswehr, so Generalmajor Hubertus von Butler, gilt zwar das Primat der Politik, aber auch das „Bild vom Staatsbürger in Uniform". Hier ist der mitdenkende Soldat gefragt, der im Sinne des Auftrags seiner über-geordneten Führung handelt und dafür die volle Verantwortung übernimmt. „Wir wollen Handlungssicherheit im Frieden und im Einsatz durch politische Bildung erreichen" unter-mauerte Oberstleutnant Karl Sedelmair die Ausbildungsziele unserer Streitkräfte in der Demokratie. Dr. Ernst Rothstein stellte sich die Frage, inwiefern Führungskräfte in der Wirtschaft ihren Entscheidungsspielraum tatsächlich nutzen: „ Ja, es gibt eine Ethik der Führung," so der langjährige Vorstand der Leistritz AG, „aber auch in der sozialen Marktwirtschaft unterliegen Unternehmen - wollen sie überleben - primär wirtschaftlichen Zwängen!" So wünschte sich Johann Engelmann, im Zusammenwirken von Unternehmensführung und Mitarbeitern gegenseitigen Respekt und Achtung. Dafür sei es notwendig, die Rolle des jeweils anderen im wirtschaftlichen Miteinander zu verstehen.

„Es entspricht unserer Firmenphilosophie" so der Personalchef von UVEX „die soziale Verantwortung für die Mitarbeiter gleichberechtigt neben der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung zu sehen." Den Unterschied zwischen der Führungsverantwortung in Bundeswehr und Wirtschaft skizzierte Brigadegeneral Reinhard Wolski am Beispiel der Auslandseinsätze. Soldaten werden auch dadurch Ihrer Führungsverantwortung gerecht, dass sie bereit sind ihr Leben für unser Land und unsere Werteordnung einzusetzen: „Darin unterscheiden sich die Soldaten der Bundeswehr von allen anderen Berufsgruppen.“  Der Bundestagsabgeordnete Jörg Rode forderte, dass der Bundestag sich deutlich zu seiner Verantwortung für die Einsätze der Bundeswehr bekennt: „Ohne die bestmögliche Ausbildung und  Ausrüstung darf kein Soldat ins Ausland geschickt werden.“

Die Podiumsdiskussion machte auch deutlich, dass Akzeptanz und erfolgreiche Führung ohne Engagement, Loyalität, Zivilcourage und soziale Kompetenz weder in der Bundeswehr noch in der Wirtschaft möglich sind.

NZ vom 12. April 2008

Bundeswehr & Wirtschaft:

Führung im Schatten des Führerkults
Von Herbert Heinzelmann, NZ

NÜRNBERG - Die Kongresshalle auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände war als Tempel des "Führers" geplant. In dem gigantischen Bau sollten sich nach seiner Vollendung alle Blicke auf Adolf Hitler richten, der auf der "Führerkanzel" seine Reden schwingen würde. Der Größenwahn solcher Konzepte kam nicht zum Zug. Im Dokumentationszentrum wird er in seiner ganzen 
unmenschlichen Groteske analysiert. Dennoch ist es äußerst heikel und geradezu mutig, im Dunstkreis geplanter "Führer"vergottung eine Matinee zum Thema "Führungsverantwortung" zu veranstalten.

Wo die "negative Tradition" allgegenwärtig ist

Zu dieser Matinee hatte am Samstag die Arbeitsgemeinschaft Bundeswehr & Wirtschaft ins Doku-Zentrum geladen. Der Umgang der Bundeswehr mit der soldatischen Tradition auch im Dritten Reich ist Diskussionsstoff, seit die Bundesrepublik Deutschland wieder Streitkräfte besitzt.

Erfahrungen zur "negativen Tradition" sind an Gedenkstätten wie dem Doku-Zentrum besonders einprägsam. Deshalb hat Johannes Jakobs-Woltering, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bundeswehr & Wirtschaft, schon zu seiner Zeit als aktiver Offizier, Besuche von Soldaten in der Ausstellung über Gewalt und Faszination des Nationalsozialismus angeregt und gefördert.
Auch die Matinee zur Führungsverantwortung begann für die zahlreichen Teilnehmer mit Führungen durch die Ausstellung.

Danach versammelten sich Wirtschaftslenker, Offiziere und Soldaten im Studienforum, um das Thema zu diskutieren. Aber das ist wohl das falsche Wort. Denn der Zeitrahmen und die relativ große Anzahl von Geladenen, die Impuls-Beiträge lieferten, erlaubten bestenfalls die Problematik von "Führung" in Armee und Wirtschaft grob zu skizzieren. Die Matinee wollte gar nicht mehr sein als ein Anregung zu Reflexion und Diskussion - über das gemeinsame Mittagessen hinaus.

Man braucht ein Herz für Soldaten

Das Problembündel ist dick. "Führung kann in der Katastrophe enden", resümierte Moderatorin Monika Merkel einen Vortrag des Militärhistorikers Josef Michael Berger über den Umgang der nationalsozialistischen Wehrmacht und Gesellschaft mit jüdischen Soldaten und ihren Organisationen nach dem Ersten Weltkrieg. "Führung heißt Macht ausüben", definierte Johannes Engelmann als Wirtschaftsvertreter sehr genau. Die Frage ist also, wie diese Macht sich legitimiert und wodurch sie im Zügel gehalten wird. Von Ethik war viel die Rede, von sozialer Kompetenz, von der Bindung an Werte.

Generalmajor Hubertus von Butler, derzeit verantwortlich für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan, zählte einige Aspekte von Führungsverantwortung auf: Primat der Politik, präzise Zieldefinition von Aufträgen, Teamfähigkeit, Fürsorge (notfalls auch für die Hinterbliebenen von Gefallenen), fachliches Können, physische wie psychische Stärke und "ein Herz für die Soldaten".

Business und Bundeswehr - zwei Welten?

Selbstverständlich gehört auch die politische Bildung dazu, die an Orten wie dem Doku-Zentrum zu vermitteln ist. In den Rede-Beiträgen kamen diese Orte allerdings nur noch selten vor. Dafür taten sich einige Konfliktfelder auf, in denen wirtschaftliche Tendenzen quer liegen zu soldatischen. Von Butler erwähnte Ideen wie Profitmaximierung, Spezialisierung, Controlling, die den  Soldaten zu schaffen machen, weil sie auf die Bundeswehr übertragen werden. Management und militärische Entscheidungsprozesse funktionieren eben doch in unterschiedlichen Strukturen. Hier wurde Stoff zu Diskussionen angedeutet. Doch die müssen anderenorts stattfinden. Die Matinee des Arbeitskreises Bundeswehr & Wirtschaft im Doku-Zentrum wollte dazu nur einen kleinen Anstoß geben.


Foto: Bischof & Broel


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