Nürnberger Sicherheitstagung 2008

Die Europäische Union auf dem Weg zur Weltmacht?


Hochkarätige Experten aus Politik, Bundeswehr und Wissenschaft trafen sich auch in diesem Jahr im Rahmen eines Symposiums zum Meinungsaustausch über aktuelle Fragen der Sicherheits- und Außenpolitik im Nürnberger Presseclub.

Die interdisziplinäre Betrachtung des Phänomens „Europa“ und die Frage nach der globalen Rolle dieses Konglomerats von 27 doch recht unterschiedlichen Staaten im Konzert der Mächte standen im Mittelpunkt von Analysen und Visionen.

Das irische Nein zum EU-Reformvertrag spielte bei dieser Langzeitbetrachtung nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Hier einige Aussagen.

Die FDP-Europaexpertin und ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger sah die zwei bis dreimal höheren Entwicklungshilfe gegenüber den USAu. a. als Indiz für eine Weltmachtrolle Europas. General Klaus Naumann verglich in seiner Analyse u. a. Verteidigungsausgaben und ihren Effekt.  „200 Milliarden Dollar gibt Europa für Verteidigung aus, die Hälfte von den USA, erreicht aber nur 10% der Wirkung“, klagte der ehemalige Vorsitzende des Militärausschusses der NATO. Er forderte: „Wehrtechnik auf dem Weltmarkt zu kaufen und sich nicht auf langwierige Rüstungsprojekte mit entsprechendem Forschungsaufwand festzulegen.“ Dem stellte Johannes Jakobs-Woltering, der Vorsitzende des AkBwW, erfolgreiche europäische Rüstungsprojekte wie Dingo, NH 90 und Tiger gegenüber. Sie passen in der Tat, auch nach Ansicht Naumanns, zu einer Aufgabenverteilung, in der Europa einen zusehends größeren Beitrag zur Stabilisierung von Krisenregionen in der Welt übernimmt, denn so der General: „auch langfristig wird Europa militärisch nicht Augenhöhe mit den USA erreichen können aber ein Entwicklungskorps macht Europa zu einem gefragten Partner.

Ein Europa der Herzen forderte Dr. Markus Söder. Gelingt dies nicht, so der bayrische Europaminister, wird die Europamüdigkeit weiter wachsen.

Professor Herfried Münkler übersetze die Lehren von Carl von Clausewitz vor dem Hintergrund der aktuellen Vielzahl asymmetrischer Kriege und verdeutlichte, dass dieser viel zitierte Militärhistorikers häufig falsch verstanden werde: „Die Kritiker treffen seine Beispiele nicht aber seine Theorie“  so der derzeit wohl profilierteste Clausewitzkenner. 

Für Integration als Beitrag zum Frieden warb die Religionspädagogin Gönül Yerli. Ihre muslimische Gemeinde in dem 16.000-Einwohner Städtchen Penzberg ist zu einem Modell für weltoffenes Religionsverständnis geworden.

Höhepunkt der Veranstaltung waren die Videoschaltungen zu Irans Atom-Chefunterhändler Saeed Jalili nach Teheran und zu Afghanistans Handels- und Industrieminister Dr. Amin Farhang nach Kabul.

Ausführliche Berichte von Raimund Kirch, Daniela Schadt und Stephanie Rupp finden Sie in den Ausgaben der NZ vom 21.06 und 23.06.2008 sowie von Georg Escher in der NN vom 23.06.08





 






NZ vom 23. Juni 2008

Live-Interview mit Irans Atomunterhändler Saeed Jalili

Teheran sendet Signal des Einlenkens

von Stephanie Rupp, NZ


NÜRNBERG — Im Rahmen der Nürnberger Sicherheitstagung hat Teheran am Samstag ein positives Signal in die Welt gesandt: Der Iran zeige sich weiter kooperationsbereit, was die Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft in der Frage seines Atomprogramms angeht. Das bekräftigte Saeed Jalili, Irans Atom-Chefunterhändler, bei einer Live-Schaltung aus dem Marmorsaal des Presseclubs in Nürnberg.

Es war eine Premiere bei der unter anderem von der NZ und der Thomas-Dehler-Stiftung veranstalteten Sicherheitstagung: Mit zwei Video-Live-Schaltungen nach Kabul und Teheran hatten rund 160 Teilnehmer Gelegenheit, zwei für brisante Sicherheitsthemen verantwortliche Akteure im Mittleren Osten vor Ort zu sehen und teilweise auch zu befragen.

Amin Farhang, Handels- und Industrieminister Afghanistans, kam bei der ersten Live-Schaltung zu Wort. Eingefädelt hatte sie Johannes Jakobs-Woltering, Vorsitzender des Arbeitskreises Bundeswehr und Wirtschaft, in Kooperation mit Tagungsleiter Hildebrecht Braun. Technisch lief die Verbindung über eine Telefonleitung und ein Videostandbild im afghanischen Ministerium für Kommunikation und Fernmeldetechnik direkt in den Nürnberger Presseclub. Zuvor hatte das Büro des Nürnberger Unternehmers Wolfgang Nisslbeck die Leitungen programmiert.

Farhang, der zuletzt in Zusammenhang mit der Bespitzelungsaffäre durch den BND neue Berühmtheit erlangt hatte, zeigte sich zwar besorgt über das Wiedererstarken der Taliban, die insbesondere an der Grenze zu Pakistan Stärke demonstrierten. Zugleich gab er sich zuversichtlich: „Es wird noch eine Weile diese Anschläge geben, aber die Zeit arbeitet gegen die Taliban. Sie können ihr System nicht mehr lange so durchhalten.“ Insgesamt sei die Lage in Afghanistan derzeit aber nicht so schlimm wie häufig dargestellt, meinte Farhang.

Als wesentliche Voraussetzung für die Bekämpfung des Opiumanbaus in seinem Land und die Schwächung der Taliban nannte er eine „deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der bitterarmen Bevölkerung“. Ein hilfreicher Vorschlag komme aus den Vereinigten Arabischen Emiraten: Die dortige Regierung mache sich dafür stark, dass auf den riesigen brachliegenden Flächen künftig landwirtschaftliche Produkte im großen Stil angebaut werden – etwa, um die gesamte Golfregion damit zu versorgen. Auch über den Anbau von Safran, der in seinem Land „hervorragend wachsen könnte“, sowie von Rosen mache man sich Gedanken.

Um Afghanistan wirksam zu helfen, wünscht sich Farhang von der westlichen Staatengemeinschaft unbedingt eine Art Marshallplan.

„Kein Grund, Angst vor dem Iran zu haben“

Die Live-Schaltung zu Irans Atom-Chefunterhändler Saeed Jalili bereitete zwar einige technische Probleme, dafür kam sie aber auch recht kurzfristig zustande. Maßgeblich an der Vermittlung beteiligt war Bahaeddin Bazargani, Generalkonsul der Islamischen Republik Iran, in München.

Jalili begann seine Ausführungen mit den Worten „Im Namen Gottes, des Barmherzigen“. Auf dem Tisch platziert hatte er einen Porzellanteller mit den Bildern des früheren Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Khomeini und seines Nachfolgers, des heutigen geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei. Daneben war die iranische Flagge zu sehen. Auch der typische iranische Blumenschmuck auf dem Tisch durfte nicht fehlen. Jalili betonte mehrfach die Bereitschaft Teherans zur Kooperation in den Fragen des Atomprogramms. Das neue Angebot des EU-Chefdiplomaten Javier Solana werde derzeit eingehend geprüft, sagte er. Man gehe davon aus, dass dasselbe auch für das neue, vom Iran gemachte Angebot an die EU gelte. Der Iran setze auf weitere Gespräche: „Ich bin sicher, dass wir so alle Missverständnisse beseitigen können“, sagte Jalili. Sein Land werde sich darum bemühen, Vertrauen zu schaffen. In beiden Paketen gebe es „gemeinsame Punkte für eine weitere Zusammenarbeit“.

Wie erwartet, betonte er die ausschließlich „friedliche Nutzung der Atomenergie“ seines Landes. Es bestehe „überhaupt kein Grund, Angst vor dem Iran zu haben.“ Ganz im Gegenteil: Der Iran wirke als „Stabilisator in der Region“, besonders in Afghanistan und Irak. Auch wenn die deutsche Übersetzung oft schwer zu verstehen war, sorgten solche Äußerungen für entsprechende Reaktionen im Publikum.

Auch sonst machte Jalili mehrfach deutlich, dass sich der Iran als wichtige Regionalmacht am Persischen Golf versteht. Und als solche möchte man nicht nur zu den Nachbarländern, sondern auch zu Europa ein gutes Verhältnis pflegen – ganz besonders aber zu Deutschland, „zu dem unsere Beziehungen eine lange Tradition haben“, so der Atomunterhändler.

Ein Raunen ging durch den Saal, als Jalili auf die Frage, warum denn so viele Kandidaten für die jüngsten Parlamentswahlen im Iran vorab vom Islamischen Wächterrat von den Listen gestrichen worden seien, antwortete: „Viele hielten den formalen Voraussetzungen nicht stand.“ Denn im Iran darf nur derjenige oder diejenige überhaupt für das Abgeordnetenhaus in Teheran kandidieren, der mindestens über einen Master-Abschluss der Universität verfügt.