Pressekonferenz

Nürnberger Nachrichten, Donnerstag, 23. Juli 2009

Aus der „Parallel-Welt“ in höchst anspruchsvolle Jobs

Der Arbeitskreis Bundeswehr & Wirtschaft Nürnberg engagiert sich für die Integration von Zeitsoldaten in „normale“ Firmen  

Der Fachkräftemangel ist angesichts der demografischen Entwicklung wie ein Damoklesschwert, das über der Wirtschaft hängt. Es gibt Ressourcen, die manche unterschätzen: Bei der Bundeswehr — genauer: Im Kreis der Zeitsoldaten. Der Arbeitskreis Bundeswehr & Wirtschaft (AkBwW), mit Sitz in Nürnberg, kümmert sich um ihre Integration in die „normale“ Welt der Wirtschaft.

„Sie sind hoch qualifiziert, brauchen sich — ganz behütet — um ihren Arbeitsplatz jahrelang keine Sorgen machen, und müssen sich plötzlich neu orientieren“, sagt Johannes Jakobs-Woltering, Diplom-Kaufmann und Oberstleutnant a.D. Er leitet den ehrenamtlich organisierten AkBwW. Die „Unterstützung des Personalflusses zwischen Bundeswehr und Wirtschaft“ steht unter anderem als Zweck in der Satzung des entsprechenden angemeldeten Vereins. Der Arbeitskreis wurde vor 28 Jahren von der Vereinigung der Arbeitgeber in Nürnberg gegründet. Die Klientel waren  damals rund 1200 Soldaten in Nürnberg mit seinem Transport-Bataillon. Heute sind in der Metropolregion rund 12 000 Soldaten stationiert. In ganz Nordbayern sind es etwa 20 000, etwa die Hälfte haben sich über die Wehrpflicht hinaus als Zeitsoldaten verpflichtet. Aus 108 Berufen Sie sind in der Regel zwischen 24 und 32 Jahre alt, wenn sie den „Bund“ verlassen, und wurden in mindestens einem von 108 verschiedenen Berufen ausgebildet. Ein Beispiel: Zwischen dem Gabelstapler-Fahrer und dem Logistik-Offizier gibt es allein 28 verschiedene Berufsprofile im Logistik-Bereich der Bundeswehr. Bei ihrer Arbeit müssen sie höchste berufliche Anforderungen erfüllen, doch sie bewegen sich dabei in einer Art „Parallel-Welt“, wie es Monika Jakobs-Woltering formuliert. Hauptberuflich arbeitet sie im Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Nürnberg und weiß: Es ist nicht immer einfach, Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zusammenzubringen. So brauchen die Zeitsoldaten Nachhilfe, wie sie sich und ihre Kompetenzen gegenüber Firmen präsentieren sollen. Sie müssen die Stellensuche organisieren. Bewerberschulungen und Berufsinformationsseminare stehen deshalb auf der Agenda des AkBwW. Auf der anderen Seite gebe es bei Unternehmen oft eine Hemmschwelle gegenüber den „Bürgern in Uniform“, sagt Frau Jakobs-Woltering. Unternehmensbesuche dienen dazu, Brücken zu schlagen. Der Bogen reicht dabei von Diehl über Baumüller zu Bögl, Siemens und dem Nürnberger Hafen. Beiden Seiten ist damit gedient. Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil sprach in diesem Zusammenhang einmal von einem „friedlichen Feldzug“. Rund 50 Personen arbeiten im Arbeitskreis aktiv mit. Er ist auf den Erfahrungsschatz von Experten angewiesen — wie dem von Karl Martz, der bei vielen Firmen — darunter auch einmal der Quelle — im Management der Personalleitung saß. Hohe Qualifikation „Wir waren oft erstaunt über die hohe Qualifikation der Zeitsoldaten“, sagt Martz im Rückblick. Die Regel lautet: Offiziere haben den  Abschluss eines (Fach-)Hochschulstudiums in der Tasche; die anderen werden, mit abgeschlossener Berufsausbidung, weiter zum Techniker oder Meister qualifiziert.

Sich jetzt bei der Integration von Zeitsoldaten in die „normale“ Arbeitswelt zu engagieren, sieht Martz als eine wichtige Aufgabe. Diese Integration sei nötig, denn noch immer sei die Bundeswehr so etwas wie eine „isolierte Gesellschaft“, die in der allgemeinen Öffentichkeit kaum auftritt. Martz meint auch: „In der Wirtschaft weiß man gar nicht, was die Bundeswehr investiert, um Personen in Führungsfähigkeiten zu qualifizieren. Das könnten sich die wenigsten Unternehmen selber leisten“.

Der Arbeitskreis organisiert im Jahr rund 20 Veranstaltungen für beide Seiten, zu denen im Durchschnitt 50 Betroffene kommen. Die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr selbst ist sehr eng.  WOLFGANG MAYER